Journalisten aufgehorcht: "Berlin, den 7. Januar 2009. Auch in Zeiten der Medienkrise gibt es noch gute Nachrichten." Man möge mich einen notorischen Miesepeter zeihen, wenn ich sage, dass ich diesen Einstieg für misslungen halte. Aber es soll hier nicht um Geschmäcklerisches gehen.
Es handelt sich um eine Pressemitteilung von
Suite101 (Zu den Anteilseignern von Suite101 gehören der deutsche Unternehmer
Dr. Boris Wertz (u.a. Abebooks, Nexopia) und
Burda Digital Ventures) und dort gibt es folgende "gute Nachrichten":
"Die deutsche Version des Online-Magazins Suite101 hat innerhalb des letzten halben Jahres ihre Reichweite annähernd verfünffacht. Im Dezember 2008 erreichte Suite101.de erstmals über eine Million Leser. 1,04 Millionen 'Unique Visitors' besuchten die Webseiten des erst im Februar gestarteten Magazins."
Wo oder wie diese 'Unique Visitors' validiert werden, wird leider nicht verraten, bei der
AGOF findet sich Suite101 nicht.*
Keinerlei negative Auswirkungen durch die Medienkrise, ganz im Gegenteil ...
Egal. Glauben wir mal diese Zahlen. Ich will nicht unken, denn: "Entgegen mancher Unkenrufe zum Start befinde sich Suite101 schon jetzt auf bestem Wege, zum größten unabhängigen General-Interest-Online-Magazin im deutschen Sprachraum zu werden", heißt es weiter. Und - jetzt kommt's - es gibt noch mehr gute Nachrichten:
"Die vielfach beklagte Medienkrise habe für Suite101 keinerlei negative Auswirkungen – ganz im Gegenteil, sagt Westphal [Dirk Westphal, Chefredakteur von Suite101, T.M.]: 'Es wird zunehmend deutlich, dass gerade für freie Autoren und Journalisten das Internet eine große Chance ist, die man nicht verpassen darf.'"
Beim Besuch der Website von Suite101 findet sich gleich noch mal eine gute Nachricht unter der holprigen Überschrift:
"Job als Journalist bei Suite101" - freilich handelt es sich dabei nur um einen "idealen Job den Sie nebenbei machen können" oder "eine perfekte Ergänzung zu anderen journalistischen Jobs."
Die große Chance auf 88 Cent im Monat
Wie die "große Chance im Internet" mitunter in der Realität aussehen kann, beschrieb der Freien-Referent des Deutschen Journalisten-Verbands, Michael Hirschler, im Frühjahr 2008 in seinem
Blog: "Auf rund 88 Cent Einnahmen monatlich kommt ein freier Journalist monatlich bei der Online-Plattform suite101, obwohl er Dutzende von journalistisch erstklassigen Beiträgen in den Onlinedienst eingestellt hat." Wochen später nahm ich an einem Gespräch mit Chefredakteur Westphal teil,
Ergebnis: "Westphal betonte auch, dass es Suite101.de nie darum gegangen sei, den Mitarbeitern Einkünfte zu vermitteln, die an die Standards hauptberuflicher Bezahlung heranreichten."
Die Pressemitteilung suggeriert aber eben diesen Eindruck, ich halte dieses Gebaren für unseriös. Aufbau und Sprache der
restlichen Pressemitteilung erinnern mich übrigens an ähnlich übergeigte Phrasen in fiktiven PR-Meldungen aus Don Alphonsos Dotcomtod-Roman
"Liquide", aber das muss wirklich ein Versehen sein, hier bewege ich mich schon wieder allzu sehr ins Geschmäcklerische hinein.
* Nachtrag 09.01.09
Aus den
FAQs von Suite101:
"Warum weist Suite101 keine IVW- oder AGOF-Zahlen aus?
Diese Statistikdienste messen die Reichweite von Werbeträgern. Da Suite101 bislang klassische Bannerwerbung nur sehr geringem Umfang zulässt, ergibt eine IVW- oder AGOF-Messung für uns derzeit keinen Sinn. Besucherzahlen, die Suite101 veröffentlicht, beruhen auf dem allgemein anerkannten Statistikdienst Google Analytics."