“Abendzeitung” und Video: “Hauptsach mir san in d’ Schickeria”

Zum Thema Zeitung und Video resümierte der Berater und Dozent Christian Jakubetz kürzlich in seinem Blog: "Das, was viele machen, sieht inzwischen weitaus besser aus als die ersten Gehversuche mit wackeligen Kameras, ohne Vertonung und irgendwie absurden Geschichten." Da stimme ich ihm zu. Negativbespiele gibt es aber weiterhin.

Es scheint immer die gleiche Variante zu sein: Redakteuren wird eine Kamera in die Hand gedrückt: Macht mal! Ist gar nicht so wichtig, was dabei rauskommt, wir probieren das jetzt einfach mal aus. "Hauptsach mir san in d' Schickeria" (Ohrwurm der Spider Murphy Gang), lautet denn wohl auch das Motto der Münchner "Abendzeitung". Man will halt allzu gerne bei den Großen dabei sein.

Neben Personalquerelen (der bisherige Chefredakteur Michael Radtke und Vize Torsten Fricke verliessen das Blatt im November) und sinkenden Auflagen kämpft das Boulevardblatt auch mit dem Internet. Vor einem Monat suchte der Verlag einen Online-Volontär mit dem Profil der berühmten "eierlegenden Wollmilchsau", freilich gibt es meines Wissens bisher nicht mal eine Online-Redaktion. Fraglich ist andererseits, wie sich dies mit der Kooperation mit der Berliner Netzeitung vereinbaren lässt (wir berichteten).

Seit rund einem Jahr bietet die Zeitung auf ihrer Website Zoom.in-Videos an - mehr oder weniger Massenware ohne großen Nutzwert für Anbieter und User. Dieses Material ist laut einer Information des Bundesverbands Deutscher Zeitungs-Verleger (BDZV) übrigens kostenlos für die Betreiber: "Finanziert wird das Angebot über integrierte Werbung in den Videoclips, wovon aber nur Zoom.in profitiert."

Ende November erschien der erste selbstproduzierten Video, ein Blick in die Kabine eines Eishockeybundesligisten. Die Qualität ließ in jeder Hinsicht zu wünschen übrig, peinlich war es, dass in dem Beitrag auch über eine Verteilaktion der Zeitung berichtet wurde. (Der Autor des Filmbeitrags liefert ansonsten in der gedruckten Zeitung durchaus passable Artikel.)

Zwei Wochen lang war dann Sendepause. Heute wurde in der Zeitung auf ergänzende Filme zu einer Werkführung bei BMW hingewiesen. In vier jeweils rund 20 Sekunden langen Filmchen sind "Maschinen in Aktion" zu sehen, für den Ton sorgt die Werkhallen-Atmosphäre - damit soll wohl dokumentarische Authenzität erzeugt werden. Für meinen Geschmack, phantasielos und mit geringen Informationswert.

Obendrein scheint die Zeitung mit Verlaub gesagt ein sehr kuscheliges Verhältnis zu dem Konzern zu pflegen, was sie wohl mit diesen "Hightech-Videos" unterstreichen wollte. Ganz so daneben wie im Frühjahr, als die "Titanic" auf zwei Seiten ein serviles Interview des damaligen Vizechefredakteurs Fricke mit einer BMW-Führungskraft auseinandernahm (Zitat zur journalistischen Haltung Frickes: "Also, rein ins Arscherl."), waren diese Beiträge nicht. Dennoch fällt mir wiederholt die BMW-freundliche Haltung der "AZ" negativ auf. Solche "Mätzchen" lässt sich der Leser in Print oder Online nun mal nicht mehr gerne gefallen.

Zurück zum Video-Geschäft: Videos von bescheidener Qualität animieren in den seltensten Fällen zu weiteren Besuchen dieser Rubrik oder der ganzen Website. Wie könnte man es besser machen? Vielleicht im stillen Kämmerlein experimentieren, bis man einen gewissen Standard erreicht hat; "externen Sachverstand" hinzuziehen (eher zwiespältig aus meiner Sicht, aber es sind ja nicht nur schlechte und teure Berater unterwegs); Personal auf entsprechende Fortbildungen schicken (aus vielerlei Gründen auch nicht unbedingt der Königsweg) - eine Kombination dieser Maßnahmen kann zielführend sein, natürlich muss man dafür Geld in die Hand nehmen. Auch eine Möglichkeit ist es, mit einem kompetenten Partner zu kooperieren, wie es Anfang Dezember etwa die "Frankfurter Rundschau" ankündigte, die im Online-Bereich in Zukunft mit dem Regionalsender Rheinmain-TV arbeitet: "Statt einem Printjournalisten eine Kamera in die Hand zu drücken, setzen wir auf die Kooperation mit Fernsehprofis", sagte hierzu "FR"-Chefredakteur Uwe Vorkötter in Horizont.net.

Weitere Links

bei onlinejournalismus.de: im Internet:
bittner (Gast) - 2007/12/07 16:00

Video, das nächste große teure Ding

Wäre doch mal interessant, was so Filmchen kosten tun. Bei der Kanzlerin sollen es - lt. FTD - 10.800 Euro pro "Sendung" sein. Während die lebenspralle Videosprechstunde von Kurt Beck - auf youtube! - nur ein Fünftel davon verbrät.

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