Sind Blogger verkappte Streithansel?

Die Chefredakteurin des Medienmagazins "Insight", Katharina Skibowski, kritisiert im Editorial der April-Ausgabe ihres Heftes das Verhalten einiger Blogger: "Enthüllungen und Empörungen".

Skibowski schreibt über einen "kleinen Scoop", den Don Alphonso Anfang März gelandet hatte: "Er [Don Alphonso, T.M.] vergaß allerdings zu erwähnen, dass der Link, den er zu der Insolvenzmeldung setzte, für jeden erreichbar ist und man sich über alle (!) Insolvenzen in Deutschland, die bis zu zwei Wochen vor Anfrage angemeldet worden sind, informieren kann. So investigativ, wie er gerne gewesen wäre, war Don Alphonso also nicht – er hatte den richtigen Link und ein sehr schnelles Medium." Muss man jetzt bei jedem Link den man legt noch einen Extra-Disclaimer schreiben – etwa: "Achtung, dieser Link ist für jeden erreichbar ..."?

Vorher mokiert sie sich über Don Alphonsos Stil: "Der Autor des Blogs schrieb voll Stolz und Eigenlob (...)". Hier erkennt sie Don Alphonsos Selbstironie nicht. – Der Sache und vor allem ihren Lesern wäre es dienlich gewesen, wenn Katharina Skibowski einen Link auf die betreffende Seite bei "Rebellen ohne Markt" gelegt bzw. diesen in der Print-Ausgabe erwähnt hätte. Dann hätte man sich selbst ein Bild machen können.

Dann ärgert sie sich über die "große Welle der Empörung wenn Spiegel Online oder Focus Online veröffentlichen, aus Wikipedia ohne Quellenangabe zitieren oder wortwörtlich Pressemitteilungen übernehmen". Da hat sie nicht ganz unrecht, wenn man die zahlreichen Kommentare und vielfachen Zitationen in Blogs anschaut.

Handelt es sich dabei tatsächlich nur um L'art pour l'art? Wollen sich da einige – vielleicht Trittbrettfahrer – wichtig machen? In den meisten Fällen wohl nicht. Zum einen liegt das große Rauschen wohl auch an der mitunter abschätzigen Meinung einiger Journalisten über Blogs (Statt anderer hierzu Mathias Müller von Blumencrons "99 Prozent Müll") und zum anderen an der Reaktion Medien selber. Wer die geschilderten Fälle und auch andere genau verfolgt, wird schnell erkennen, dass es oft sogar einige Tage dauerte, bis die Medienverantwortlichen diese Störsignale aus der Blogosphäre wahrnahmen und handelten (siehe hierzu mein Beitrag "Schulbuchmäßige Konter aus der Blogsphäre"). Auch hier wären entsprechende Link-Verweise für den "Insight"-Leser sehr nützlich gewesen.

Skibowski nimmt das Ganze nicht auf die leichte Schulter: "Blogs werden an Bedeutung zunehmen, sei es, weil sie einfach nur Spaß machen und auch manchmal einen mehr oder weniger guten Scoop landen." Da stimme ich zu.

+++ Aktualisierung 29.04.2005 +++

Weitere Beiträge, Reaktionen zu diesem Thema: +++ Aktualisierung 30.04.2005 +++

Das April-Editorial ist seit 30.04.2005 leider nicht mehr online abrufbar. Unter dem ursprünglichen Link finden Sie jetzt das Editorial für die Mai-Ausgabe von "Insight". Schade. Einige Besucher hätten den Text gerne noch gelesen. Auch ein Umgang mit Diskussionkultur.

+++ Aktualisierung 01.05.2005 +++

"Insight" weist jetzt auf seiner Homepage auf das April-Editorial hin ("Blogger: Knallharte Aufdecker oder eitle Streithähne?"); allerdings gibt es ein kleines technisches Problem, da der Link ab und zu auf das Mai-Editorial geht.

+++ Aktualisierung 02.05.2005 +++

Jetzt hat "Insight" jenes Editorial wieder ganz von der Seite genommen. No comment.
tknuewer - 2005/04/28 17:40

Ich habe selten etwas selbstgefälligeres Gelesen. Die Dame hätte wahrscheinlich am liebsten die Kuschelstunde, wo alle sich wahnsinnig lieb haben, Du, find ich echt wichtig, Du.
Diskutieren ist nicht Streit. Und in Deutschland wird zu wenig diskutiert, weil sich kaum noch jemand aufregen mag, egal wie das Thema lautet. Und wir Journalisten auch nicht, anders ist die Flut weich gespülter Kommentare nicht zu erklären.

Ups, ich rege mich ja gerade auf...

moon2606 - 2005/04/28 22:11

Hm.

Ich denke, Sie sieht es im großen und ganzen richtig. Der relevante rpt relevante Output steht doch in keinem Verhältnis zum Buzz. Den wir auch noch selber inszenieren.

Haltungsturner - 2005/04/29 11:31

da muss ich Thomas Knüwer recht geben: Ein bisschen albern. Und ein gutes Beispiel für das, was Jochen Wegner in Paris offenbar anlysiert hat - es gibt keine Diskussionskultur in diesem Land, die Spaß am Diskutieren und am Streiten vermitteln kann. Was wäre am Diskutieren um des Diskutierens Willen falsch?

Und warum überrascht mich dieser Duktus bei diesem Magazin da nicht? Ziehe zurück auf Los.

Moe - 2005/04/29 11:51

>Wollen sich da einige – vielleicht Trittbrettfahrer – wichtig machen?

Also wenn irgendwelche Blogger schrieben sie hätten 3000 Leser am Tag, nur weil sie einen Nedstat Counter haben der 3000 Pagevies am Tag zählt, oder zb ernsthaft behaupten sie hätten mehr Leser als Spiegel Netzwelt, dann fragt man sich schon ob das reine Wichtigtuerei ist. Oder etwa eine wirklich derart verzerrte Wahrnehmung?

Ansonsten sind die Debatten um "Klau" meist eher peinlich..

Naja und es gibt ja auch Blogger, welche definitiv Streit suchen und dabei mitunter jeglichen Anstand vermissen lassen. Naja, und manchmal scheint man dann auf Kombinationen von Selbstüberschätzung und Agressivität zu treffen. Sachliche Diskussionen sind dann unmöglich, und auch nicht erwünscht.

Don Alphonso - 2005/04/29 13:58

Diebe, lieber Moe, sind meistens nicht erpicht darauf, dass man über Klau redet. Das ist eine Konstante in der menschlichen Geschichte, egal wie weit sich Aufklärung und Ethik entwickeln. Und eine sachliche Debatte über Urheberrechtsverletzungen entfällt natürlich, wenn derjenige, der das tut, nichts anderes vorbringt als Behauptungen, er wolle damit die Blogosphäre fördern - und nicht unbedingt Geld von einem Verlag kassieren.
Moe - 2005/04/29 15:22

ungefähr so etwas

... meinte ich ;)

Dass die Debatten über "Klau" eher peinlich sind, meinte ich da der Begriff sehr schnell fällt und unreflektiert verwendet wirdt. Meist aus derselben Ecke heraus - es ist ja nicht so, dass die meisten anderen Blogger diese Ansichten teilen. Wenn es nicht möglich ist, eine Diskussion zu führen ohne jemanden unter der Gürtellinie zu beschimpfen oder bewusst schnell ins Persönliche abzugleiten, dann scheinen die Argumente nicht so sehr gut zu sein.
Mein Lieber.
Jan Soefjer - 2005/04/30 14:42

Und sie sind bei Insight sogar zu blöd, die Umlaute richtig darstellen zu lassen.

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